Es ist endlich so weit!
Unbarmherzig rückt der Abfahrtstermin näher und man ist sich seiner Gefühle nicht sicher:
Freude, Angst, gestresst, niedergeschlagen, den Tränen nahe (nur ein kleiner Auszug aus der
Gefühlspalette).
Obwohl wir schon mehrere Jahre planen wird es auf den letzten Metern, wie immer, nochmal eng.
Zumal der Start jobbedingt ein paar Jahre früher kommt, als gedacht.
Es waren/sind sooo viele Dinge zu erledigen:
Das Schiff brauchte noch Streicheleinheiten mit Flex, Schweißgerät, Hammer und Pinsel.
Wir mussten uns von unseren Arbeitgebern trennen. Steffi war 13 Jahre und Jörg 17 Jahre im Job.
Hier müssen wir beide dem starken Reiz widerstehen, uns ein wenig über die letzten Jahre im Job
auszulassen. Und belassen es auch dabei…es würde…neee! Ich halte meine Klappe!
Versicherungen mussten geregelt werden, Testament und Vollmachten wurden angefertigt,
Seeschiffsregistereintrag, Impfungen, Autoverkauf, Homepage undundund.
Insbesondere unserem Verwandten- und Freundeskreis wollten wir noch viel Aufmerksamkeit
zukommen lassen. Wir hoffen es ist uns gelungen! Oft drehten sich die Gespräche um unsere Reise
und ein Blick in die Runde sagte uns, dass wir diese Menschen schon bald für lange Zeit nicht
wieder sehen werden.
Hinter Brunsbüttel beginnt für uns Terra Incognita! Seekarten und Revierführer wurden, wenns
ging, gebraucht im Internet gekauft. Gebraucht? Der eine oder andere mag, ob des veralteten
Kartendatums, aufhören. Wir nutzen die Seekarten jeweils nur als Backup für den Fall, dass die
Elektronik ausfällt und damit auch der Kartenplotter.
Unsere Fotoausrüstung wurde aufgepimpt, neues Laptop, neue Rettungswesten, Handys,
Ersatzteile für das Schiff… Ey!!!! Jeder hielt die Hand auf! Für das Geld, was kurz vor Abfahrt über
den Tresen ging, kann man sich Schiffe kaufen!
Wenn wir untergehen, dann im Luxus!
Die Abschiedsparty will natürlich auch vorbereitet sein.
13.04.17: Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben.
Bevor wir die Leinen los werfen können, ist aber noch Vieles zu erledigen. Zunächst einmal muss
das Boot in´s Wasser. Immer wieder schön ist der Moment, wenn man feststellt „es schwimmt“!!
Ein Segelboot ist kein Segelboot, so lange der Mast nicht gestellt wurde. Auch das lässt jedes Mal
den Blutdruck ansteigen. Natürlich wurde wieder etwas vergessen, so dass Steffi nachträglich den
Mast erklimmen musste. Mutprobe bestanden!
Schließlich ging das Geschleppe wieder los. Alle Bootssachen, die im Winter auf dem Dachboden
gelagert waren, mussten eingeräumt und angebracht werden. So fanden Segel, Klappräder,
Geräteträger, Windgenerator, Radar, Schlauchboot, Tauchausrüstung etc. wieder ihren Platz an
Bord.
Jörg hat nochmal „eben schnell“ ein Funkzeugnis erworben. Er ist jetzt stolzer Besitzer des LRC
(Long Range Certificate). Herzlichen Glückwunsch! :-)
22.04.17: Leute! Was ist das für ein Wetter die letzten drei Wochen??? Es stürmt, schneit und
hagelt. Zwischendurch lässt sich die Sonne blicken und meint: „Ich kann wenn ich will, aber ich
will nicht, ihr durchgeknallten Segler!“
Unser Liegeplatz ist zudem noch sehr exponiert, weshalb es an unserer Steganlage und im Schiff
kracht und ruckelt. Aussenarbeiten bedeuten Nahtoderfahrungen. Wir versuchen zumindest, im
Schiff alles auf Vordermann zu bringen und Gerwerkel kopfüber in irgendwelchen Backskisten
vergraben lässt uns bei dem Wellengang die Seeverhältnisse auf dem Atlantik erahnen.
Am Ostermontag reichte es uns dann. Die Stromzählerscheibe verlor aufgrund der Fliehkrafte
bereits ihre Beschriftung und die Heizung schaffte es dennoch nicht. Zurück zu Jörgs Eltern in
unser kleines Zimmer!
Trotzdem, es geht voran. Jeder Gang vom Schiff zum Auto oder umgekehrt erfolgt nicht ohne
mindestens eine Klappbox. Das momentane Leben ist ein einziges Geschleppe. Stets versuchen wir
zu klären, welche Dinge an Bord bleiben müssen und auf welche wir verzichten können…das
immer tiefer liegende Schiff im Auge behaltend.
08.05.17: Der Seenotfall. Das ist ein Begriff, der einem das Bevorstehende ein wenig vermiesen
will und den man am liebsten in den Ordner „Dinge die die Welt nicht braucht“ abheften möchte.
Wir sind jedoch so gestrickt, dass Sicherheit bei uns oberste Prio hat und die Vorbereitung auf
denkbare Eventualitäten das Portemonnaie schrumpfen und die Ausrüstung wachsen lässt.
Ein Notfall tritt für uns ein, wenn eine Person über Bord geht, das Schiff sinkt oder sich jemand
an Bord schwer verletzt. Ein Sturm ist damit nicht per se ein Notfall.
•
Mann über Bord: Hierfür haben wir uns Sender zugelegt, die an die Rettungsweste montiert
werden. Bei Wasserkontakt lösen diese einen Alarm aus, der auf allen Kartenplottern und
UKW Seefunkgeräten der umliegenden Schiffe sichtbar/zu hören ist. Zusätzlich trägt bei
Nacht jeder noch große Knicklichter bei sich. Aber!!!!!: Die Situation Mann über Bord darf es
einfach nicht geben!!! Überall auf dem Schiff sind Haltepunkte und Leinen angebracht, an
denen wir uns einpicken und sichern können.
•
sinkendes Schiff: Das Schiff selbst ist durch zwei Kollisionsschotts im Bug und Heckbereich
schon relativ sicher. Zusätzlich haben wir viele Materialien zur Leckabwehr an Bord:
Lecksegel, Leckpaste, Stopfen, Keile, Axt und Brecheisen (für den Fall, dass ein Leck hinter
irgendwelchen verbauten Bereichen auftritt), starke Magneten, Bauschaum und zuletzt Jörgs
Hintern, der auch größere Leckagen abdichten kann. Zur Brandabwehr stehen 4 Feuerlöscher
und eine Argongas Löschanlage für den Motorraum bereit.
•
In Sachen Verletzungen wurden wir von unseren Freunden Meentje (Apothekerin) und
Eckhard (Chirurg) toll beraten und sind dabei, einen Notfallkoffer zu packen. Neben den
„normalen“ Medikamenten werden Dingsbumse zur Behandlung eines Pneumothorax,
Brüchen und Wundnaht besorgt.
Ein wenig lustiger wurde es bei der Vorbereitung eines 4 Tage Wellnessurlaubes in der
Rettungsinsel. Neben den wichtigsten Sachen wie Wasser, Nahrung, Seenotsender, Leuchtraketen
usw. machten wir uns auch Gedanken darüber, wie man sich die Zeit vertreiben kann. Ein
Kartenspiel, ein Buch und, für ganz aussichtslose Situationen, eine Flasche Schnaps, kamen auf
die Liste.
Alles Dinge, die wir hoffentlich nie brauchen werden. Bestellt sind max. 5 Windstärken, Sonne und
jedes Jahr ein kleiner Lottogewinn. Mal sehen, wie das mit der Dienstleistungsqualität da oben so
bestellt ist…
24.05.2017: unsere Abschiedsparty
Schon 2 Wochen vor der Party begannen die Vorbereitungen. Es wurde geräumt, geputzt,
geschmückt und eingekauft. Die Supermärkte boten uns von jetzt auf gleich die Gold Card an und
im Handelshof wurden wir persönlich mit Handschlag begrüßt.
Doch wir waren nicht allein. Von alles Seiten bekamen wir Unterstützung. Partyequipment wie
Bierzeltgarnituren, Grills, Pavillon, Kühlschränke etc. wurden uns zur Verfügung gestellt. Mit
vereinten Kräften wurde die Bootshalle zum Ballsaal umfunktioniert.
…und dann kamt Ihr…
Ehrlich, auch wenn wir leicht hektische Flecken auf den Gesichtern hatten und Euch kaum begrüßt
hatten um dann schon wieder weiter zu springen, haben wir uns über jeden einzelnen von Euch
gefreut.
Hier an dieser Stelle würde ich gern noch soooo viel sagen, weiß aber nicht wie, ohne Euch zu
langweilen.
Also mache ich es kurz: Wir beide sind überglücklich und dankbar, so
viele tolle Freunde und Verwandte zu haben!
Danke auch an Anka, die im engsten Familienkreis BigFoot noch einmal
gesegnet hat.
Und natürlich ein Dankeschön an Udo, der uns mit seiner Rede den
Tränen nahe brachte.
3 Tage nach der Feier waren wir mit dem Aufräumen durch, nicht ohne die Bierreste weiter zu
dezimiern.
Dann machten wir uns an die Geschenke. Vier Stunden lang wühlten wir uns durch Basteleien und
Umschläge. Wie Kinder in einem Spielzeugladen saßen wir mit großen Augen zwischen Papier und
Folien. Eure Wünsche und die verbalen Liebkosungen rührten uns sehr und sorgten für ein Dauer-
Wimmerkinn.
Auch hier machen wir es kurz: vielen vielen Dank für die tollen
Geschenke!!!
Es ist soweit: 04.06.2017 / 15:20 Uhr
Seit 2009 haben wir auf diesen Moment hingearbeitet. Jetzt ist er da und uns ist überhaupt nicht
zum Feiern zumute.
Das Wissen um all die tollen Menschen, die man zurücklässt, macht es uns schwer abzulegen, aber
die Kattwykbrücke öffnet um 16.00 Uhr für uns und es gibt nun kein zurück mehr.
Die Abschiede hatten es in sich. Insbesondere der Abschied von Jörgs 93-jähriger Oma hat uns
alle fast zerissen.
Das Richtige fühlt sich gerade soooo falsch an!!!!
Aber wie gesagt, die Leinen sind los und auf geht´s!
…bis Wedel! :-)
Mit den Eltern wollten wir die ersten Meilen machen und wurden von mehreren Schiffen noch ein
Stück begleitet. Hinzu kam die „Flow“, die gemeinsam mit uns auf Langfahrt geht, jedoch noch in
Finkenwerder wegen Reparaturarbeiten an den Kranhaken muss. Die Elbe war ordentlich ruppig,
aber bis Wedel war es nicht weit und Jörg´s Vater hatte ein Leuchten in den Augen, weil er wieder
Lust aufs Segeln bekam. In Wedel legten wir, dank der Besatzung, ein perfektes Anlegemanöver
hin und gingen ein letztes Mal zusammen essen. Über die letzte Verabschiedung schreiben wir mal
nix. Schnief!!!
05.06.2017: So!!! Schluss mit der Heulerei! BigFoot braucht nun Zuwendungen. In Wedel gibt es
die Möglichkeit, den Kompass zu kalibrieren. Wir brauchten aufgrund von „Dämlichkeit“ 2
Stunden! Das Schiff wurde erstmalig seit 7 Monaten wieder segelfertig gemacht. Seeventile dicht,
alles verstauen und noch mal überlegen, wofür die ganzen Taue an Bord sind!? Wo ist vorne, wo
ist hinten, und wie heißen wir?
Auf der Elbe erlebten wir herrlichstes Segeln bis Glückstadt.