Der Traum
Die Idee
Was bringt einen dazu, mehrere Jahre seine ganze Freizeit damit
zu verbringen, ein altes Stahlschiff wieder aufzuarbeiten und
jeden Euro in eine Sache mit fragwürdigem Ausgang zu stecken?
Den Anstoß gab Jörg mit einer ziemlich aufreibenden
Tumorerkrankung und das neue Bewusstsein, dass du heute
kerngesund bist und voll im Saft stehst, morgen aber schon
jemand mit einer niederschmetternden Diagnose um die Ecke
kommen kann, die alles worauf du hin gearbeitet hast, unwichtig
erscheinen lässt!
Karriere, vernünftiges Einkommen, Wohnung und Rücklagen für
das Alter...mit einem Mal war das alles nichts mehr wert!
Einhergehend mit der Erkrankung begann das Karriereende und
der Job wurde zur Sackgasse. Die Erkrankung ist überstanden,
aber die Präferenzen haben sich verschoben. Heute sagen wir
„zum Glück“.
Auch bei Steffi wurde der Job mehr und mehr zum Hindernis, um
ein wirklich ausgefülltes Leben zu führen.
Das, was wir täglich machten und der Gedanke, was wir täglich
machen könnten, waren so weit voneinander entfernt, dass es
Zeit für eine Veränderung wurde.
Wohlgemerkt, wir jammern auf einem hohem Niveau. Wir haben
nicht so schlecht verdient, waren finanziell abgesichert und
haben tolle Familien und Freunde! Aber uns wurde klar, dass es
noch mehr geben muss.
Es sollte ein langer Ausstieg aus der abgesicherten, bequemen
aber unerfüllten Komfortzone sein - mit einem offenen Ende.
Die Umsetzung
Wir segeln schon sehr lange und es stand ausser Frage, dass
unser Ausstieg mit einem Einstieg auf einem Schiff zu tun haben
wird.
Wir kauften uns ein reparatubedürftiges Schiff, weil es finanziell
machbar war, vor allem aber wollten wir selbst Hand anlegen, um
das Schiff kennen zu lernen und es zu „unserem“ zu machen.
Vor Abfahrt verkauften oder verschenkten wir all den Schrott, den
man so anhäuft, vermieteten unsere Wohnung und wohnten im
Sommer auf dem Schiff in verschiedenen Häfen.
Die Winter bezogen wir ein kleines Zimmer bei Jörgs Eltern im
Haus und zuletzt eine kleine Wohnung auf dem Dorf. Ein kleiner
Ausstieg auf Probe.
Die Voraussetzungen
Unserer Meinung nach ist es Unsinn zu sagen: „das kann jeder
machen!“
Natürlich liegt jeder gern auf einem Segelboot auf Deck in der
Sonne und es gibt Schiffe, die kann sich fast jeder leisten. Wer
aber ein Schiff schon mal sein Eigen nennen konnte weiß, wieviel
mehr daran hängt.
in unserem Fall können wir rückblickend sagen, dass bei uns
beiden in der Restaurierungs- und Vorbereitungsphase das
Durchhaltevermögen das Wichtigste war.
•
wir gingen unser Projekt als Paar an und wussten, dass wir
gut zusammen funktionieren. Trotzdem war es wichtig,
sensibel auf die Bedürfnisse und auch Ängste des jeweils
anderen zu achten, damit es nicht für einen von beiden zu
Alptraum wird. Frei über Ängste und Sorgen reden zu
können, kann die größten Hindernisse aus dem Weg räumen
oder zumindest kleiner werden lassen.
•
wenn wir beide auch kein Handwerk gelernt haben, das
Interesse und der Mut, sich in verzwickte Sachgebiete
einzuarbeiten war stets vorhanden. Elektrik, Farbaufbau,
Holzarbeiten, Schutzgas und Elektrodenschweißen, Nähen
usw. gehörten dazu.
•
in unserem Fall ist ein gewisses Maß an Sorglosigkeit in
Bezug auf das, was danach kommt nötig. Jobs sind
gekündigt und die Beratung beim
Rentenversicherungsträger war auch kein Lustigmacher.
„Wir werden schon etwas finden“ ist das Motto. Ein Teelöffel
Egoismus kann wichtig sein, um mit den berechtigten
Ansprüchen von Familie und Freundeskreis umzugehen.
•
Segelerfahrung? Schön, wenn man welche hat, muss unserer
Ansicht nach aber nicht im Übermaß vorhanden sein.
Respekt vor der See und eine nach eigenen Maßstäben sehr
gute Vorbereitung ist wichtiger. Der Rest kommt von
alleine.
•
Das liebe Geld. Selbstverständlich ist ein komfortabel
gefülltes Portemonnaie beruhigender, als wenn man jeden
Euro zweimal umdrehen muss. Auch wir haben vorab eine
Kalkulation erstellt und dabei versucht, unsere eigenen
Ansprüche an das Schiff, den Zeitraum des Ausstieges und
unsere Lebensgewohnheiten unterwegs mit den
vorhandenen Mitteln in Deckungsgleichheit zu bringen.